23. April 2023

Tarifeinigung in Potsdam – was bedeutet das?

  • Foto: Friedhelm Windmüller

Die Tarifverhandlungen für die Tarifbereiche Bund und Kommunen (TVöD) sind letzte Nacht in Potsdam mit der Vereinbarung eines Tarifabschlusses als Kompromiss zwischen den Tarifparteien verdi und dbb beamtenbund und tarifunion sowie Arbeitgeberseite Bund und Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber zu Ende gegangen.

Zuvor hatte nach der Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen durch die Gewerkschaften eine Schlichtungskommission über Ostern eine Empfehlung an die Verhandlungspartner vorgelegt, wie eine Einigung in der Tarifauseinandersetzung zu erzielen sein könnte. Auf Basis dieser Empfehlung haben sich die Verhandlungsparteien auf folgende Punkte geeinigt:

Laufzeit: 01.01.2023 bis 31.12.2024

Das bedeutet, das ab 01.01.2025 erneut Tarifverhandlungen zu führen sind.

Hier hatten die Gewerkschaften mit 12 Monaten deutlich kürzere Laufzeit gefordert, die Arbeitgeber wollten 27 Monate durchsetzen.

Erhöhung durch einen Sockelbetrag: 200 € ab 01.03.2024 und danach

Prozentuale Erhöhung um 5,5% ab 01.03.2024

Ein Sockelbetrag war den Gewerkschaften wichtig, um insbesondere den unteren Einkommensgruppen zu helfen. Er beträgt 200 Euro ab dem 01.03.2024, hinzukommt aber eine zum gleichen Zeitpunkt verhandelte Erhöhung der Tabellenentgelte um 5,5%. Das bedeutet, dass mein Tabellenentgelt zu diesem Zeitpunkt um 200 Euro erhöht und auf das dann neue Tabellenentgelt insgesamt 5,5% draufgerechnet werden. Erreicht die Tariferhöhung nicht die vereinbarten 340 Euro, so wird auf 340 Euro aufgerundet.

Obwohl die prozentuale Erhöhung unter der Forderung der Gewerkschaften liegt, sorgt der vereinbarte Sockelbetrag für eine individuelle, gerade in den unteren Einkommensgruppen, deutlich höhere prozentuale Erhöhung. Beispielrechnungen:

E 3 Stufe 3: 2660,65 € alt + 200 € Sockelbetrag = 2860,65 € x 5,5% = 157,34 € +2860,65 € = 3017,98 € neu ab 01.03.2024 (+357,34 €, entspricht + 13,4%)

E 6 Stufe 4: 3125,04 € alt + 200 € Sockelbetrag = 3325,04 € x 5,5% = 182,88 € + 3325,04 € = 3507,92 € neu ab 01.03.2024 (+382,88 €, entspricht + 12,3 %)

E11 Stufe 5: 5182,41 € alt + 200 € Sockelbetrag = 5382,41 € x 5,5% = 296,03 € + 5382,41€ = 5678,44 € neu ab 01.03.2024 (+496,03 €, entspricht + 9,6 %)

Somit erhalten alle Entgeltgruppen ab dem 01.03.2024 ein deutliches Brutto-Lohnplus.

Die vollständige Entgelttabelle finden Sie als Anhang zu dieser Information.

Was passiert in 2023?

Das Verhandlungsergebnis der Tarifparteien kommt auch an diesem Punkt auf die Empfehlung der Schlichtungskommission zurück. Diese hatte empfohlen, das abweichend vom Angebot der Arbeitgeberseite die Zahlung der steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie in der gesamten Höhe von 3000 € ausgezahlt werden soll, um bereits in diesem Jahr den Beschäftigten eine monatliche Nettoerhöhung in Höhe eines Sockelbetrages zu zahlen.

In einem ersten Schritt erhalten die Beschäftigten einen Betrag von 1.240 Euro mit der Entgeltabrechnung für Juni 2023, wenn das Arbeitsverhältnis am 1. Mai 2023 bestanden hat und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestand. In den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 erhalten die Beschäftigten dann 220 Euro monatlich. Der Anspruch besteht, wenn im Bezugsmonat ein Arbeitsverhältnis besteht und an mindestens einem Tag des Monats Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

Auszubildende erhalten die genannten Beträge jeweils zur Hälfte. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Zahlungen entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit an der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Die Forderung, auch Teilzeitbeschäftigten den vollen Inflationsausgleich zu zahlen, hat die Arbeitgeberseite abgelehnt.

Auszubildende

Die Ausbildungsvergütung wird ab dem 01.03.2024 um 150 € monatlich erhöht. Die ebenfalls geforderte unbefristete Übernahme im Anschluss an eine erfolgreiche Ausbildung haben die Arbeitgeber abgelehnt. Es konnte die Verlängerung des § 16 a TVAöD erreicht werden, der für die Laufzeit des Tarifvertrages bei erfolgreichem Abschluss eine Anschlussverwendung von mindestens einem Jahr garantiert.

Tarifvertrag Altersteilzeit

Die Verlängerung des Tarifvertrages Altersteilzeit konnte mit den Arbeitgebern nicht erreicht werden. Damit wird für die Laufzeit dieses Tarifvertrages eine Antragsstellung innerhalb der bekannten Grenzen von 2,5% - wie bislang praktiziert – nicht möglich sein. Die Gewerkschaften werden das Thema bei den nächsten Tarifverhandlungen erneut auf die Agenda nehmen.

Weitere Änderungen?

Eine Vielzahl weiterer Veränderungen wurde auf Seiten der kommunalen Ebene verhandelt. Die vollständigen Informationen können bei Interesse auf den Seiten des dbb beamtenbund und tarifunion abgerufen werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Beide Tarifvertragsparteien verdi und dbb tarifunion werden die aufgrund der Tarifeinigung notwendigen Vertrags-, Tabellen- und sonstigen Unterlagen gemeinsam überarbeiten. Die Tarifkommissionen beider Tarifvertragsparteien haben dem Einigungsvorschlag mehrheitlich zugestimmt, damit ist die Einigung wirksam.

Und die Beamtinnen und Beamten?

Der dbb Vorsitzende Ulrich Silberbach hat erklärt, dass die Verhandlungen erst abgeschlossen sind, wenn das Volumen der Tarifeinigung zeitgleich und systemgerecht auf den Bereich Besoldung und Versorgung des Bundes übertragen ist.

Wie steht der vbob zum Ergebnis der Tarifverhandlung?

Im Rahmen der Sitzung des Bundeshauptvorstandes haben wir ein Meinungsbild der Fachgruppenvorsitzenden zu der Empfehlung der Schlichtungskommission, welche die wesentliche Grundlage der Einigung der Tarifparteien geworden ist, eingeholt. Dabei ist zum einen die schwere Verständlichkeit des Vorschlages der Schlichter kritisiert worden. Darüber hinaus ist klargeworden, dass die seitens der Bundesregierung eingeräumte Möglichkeit für Arbeitgeber, eine Inflationsprämie auszuzahlen, keiner Verpflichtung der Arbeitgeber dazu gleichkommt.
Das dies zum Bestandteil der Tarifvereinbarung werden könnte, war nach dem Abschluss der IG Metall und bei der Post auch für diese Verhandlungen erwartbar. Die berechtigte Forderung der Gewerkschaften, die mit der hohen Inflation begründet war, haben die Schlichter aufgenommen und dieses Argument in ihren Vorschlag eingebracht, der die Abfederung der inflationsbedingten Mehrkosten unter Nutzung der Prämienzahlung in voller Höhe für 2023 vorsieht und gleichzeitig deren Fortführung in ein tabellenwirksames Entgelt ab März 2024. Klar ist, damit haben die Beschäftigten zwar ab Juni 2023 monatlich mehr Geld auf dem Konto und zwar steuer- und abgabenfrei zur Abmilderung der Folgen der Inflation. Klar ist aber auch, dass die Tarifeinigung für 2023 keine rentenwirksame Erhöhung der Tabellenentgelte vorsieht, sondern erst ab 01.03.2024.

Auch die Mitglieder des Bundeshauptvorstandes des vbob waren sich einig darüber, dass wir uns mehr gewünscht und erhofft haben. Zur Wahrheit gehört dennoch auch: Verhandlungsergebnisse sind Kompromisse.
Hinzu kommt: da die Verhandlungen mit Bund und Kommunen geführt werden und bei den Kommunen die weitaus größere Belegschaft und damit auch die größeren Auswirkungen der Tarifergebnisse zu verhandeln sind, ist dieser Abschluss auch maßgeblich durch die finanzielle Not der kommunalen Arbeitgeber geprägt. Dafür allerdings, dass diese Tarifeinigung so erzielt werden konnte, dass sich nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitgeber so weit weg von ihrer ursprünglichen Absicht bewegen mussten, waren die auch durch uns unterstützten Warnstreikmaßnahmen essentiell wichtig. In der Reihe der in den letzten 12 Monaten unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen getroffenen Tarifabschlüsse und derer finanzieller Auswirkungen für Arbeitgeber und Beschäftigten ist der nun vorliegende Tarifabschluss für die Beschäftigten in der Bundesverwaltung trotz der beschriebenen und berechtigten anderen Erwartungen ein durch die großen Tarifvertragsparteien beschlossener Kompromiss.

Entgelttabelle TVöD Bund

Entgelttabelle TVAöD Bund